Marl. Seit dem 1. Juli 2009, dem Tag, an dem der letzte Gottesdienst in der Kirche der ehemaligen Gemeinde Marl-Hamm auf dem Bachackerweg stattfand, bot das Gebäude keiner Religionsgemeinschaft mehr eine feste Heimat. Nur selten wurde es nach der Profanierung noch für nichtgottesdienstliche Zwecke, etwa Konzertveranstaltungen, genutzt. Nun ist es der für die Liegenschaften der Neuapostolischen Kirche Nordrhein-Westfalen verantwortlichen NAK Immobilien GmbH gelungen, für das entwidmete Kirchengebäude eine Käuferin zu finden: Die Marler Gemeinde der Aleviten hat vor wenigen Tagen das Grundstück nebst Gebäude gekauft und ist derzeit damit beschäftigt, das renovierungsbedürftige Gebäude in Eigenregie wieder "auf Vordermann" zu bringen. Damit hat eine übergangs- und gastweise achtjährige Mitbenutzung der evangelischen Kirche ein Ende gefunden.
Rund 150 Mitglieder in Marl
Rund 150 Mitglieder weist die überwiegend türkisch- und kurdisch-stämmige Gemeinde in Marl auf. Derzeit sind die Mitglieder in Eigenregie mit den notwendigen Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten beschäftigt, da die Mittel für die Vollfinanzierung von professionellen Handwerkern nicht reichen. Bereits rund 50.000,00 Euro wurden nämlich zuvor schon von den Gemeindemitgliedern gespendet, um den Kauf der neuen Bleibe zu ermöglichen.
Renovierung und Eröffnungsfest
So muss das ehemalige Kirchenschiff gestrichen und der Holzfußboden an einigen Stellen repariert werden. Zudem wird eine neue Küche eingebaut. Wenn alles fertig ist, wird sich die Alevitische Gemeinde ihren Nachbarn vorstellen. Im September – möglichst zeitnah zum Opferfest der Aleviten, das dieses Jahr am 1. September beginnt – wird ein Eröffnungsfest stattfinden. An welchem Wochenende es genau starten wird, steht zwar wegen der laufenden Arbeiten noch nicht fest, aber ein Programm mit Tag der offenen Tür, einem Gemeindefest und einem Festgottesdienst in dem neuen "Cem-Haus" ("Cem" ist die Bezeichnung für die Gottesdienstfeier der Aleviten) steht schon fest.
Frau an der Gemeindespitze
Interessant ist, dass die Gemeinde der Aleviten in Marl seit ihrer Gründung durch eine Frau geleitet wird. Aynur Özcan, 45-jährige Mutter von zwei erwachsenen Kindern, leitet die Gemeinde mit Herzblut und Engagement.
Kein leichter Stand im Kernheimatland
Die größte alevitische Gemeinschaft existiert in der Türkei. Ihre Mitglieder stellen mit etwa 12,5 Millionen Anhängern schätzungsweise über 15 % der Bevölkerung, haben aber keinen leichten Stand in der Mehrheitsgesellschaft. So dürfen dort religiöse Feste nicht als solche, sondern nur als Folkloreveranstaltungen durchgeführt werden. Cem-Stätten sind Moscheen nicht gleichgestellt.
Religiöse Verortung
Ob das Alevitentum in seiner heutigen Form dem Islam zuzuordnen ist oder eine eigenständige Religion darstellt, ist in der Forschung und unter den Aleviten selbst umstritten. Verschiedene Strömungen weisen sehr unterschiedliche Deutungsansätze auf.
Die Glaubensrichtung selbst entstand im 13./14. Jahrhundert mit dem Zuzug von turkmenischen Stämmen nach Anatolien.
Insgesamt leben in Deutschland rund 500.000 Aleviten, die zu 95 % aus der Türkei stammen. Mit einem Anteil von 13 % stellen die Aleviten nach den Sunniten die zweitgrößte Gruppe der in Deutschland lebenden Muslime - so man sie denn per definitionem als Muslime werten mag, was bekanntlich umstritten ist.
Gute Wünsche
Wir wünschen der alevitischen Gemeinde am neuen Standort ein gutes Gelingen bei den noch ausstehenden Arbeiten, einen reibungslosen und hoffnungsfrohen Auftakt und eine lebendige Entwicklung der Gemeinde. Mag der neue Standort das religiöse Leben in Marl, das gerade auf dem Bachackerweg von Vielfalt geprägt ist, bereichern.
23. August 2017
Text:
Andreas Hebestreit
Fotos:
Archiv
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